Fassungslos
Da sitzt in einer der beliebtesten deutschen Talkshow gestern Abend, bei Herrn Jauch nämlich, ein Exminister, der auf die Frage, wie das Massensterben im Mittelmeer beendet werden könnte, nichts, aber auch gar nichts zu antworten weiß, als mit dem Finger auf andere Kriminelle zu zeigen, auf die Schlepper nämlich. Weiß er, dass Fluchthilfe in der DDR verboten war? Und dass Schleuser, die reich geworden sind, indem sie sich nämlich gut haben bezahlen lassen, sogar Bundesverdienstkreuze verliehen bekamen für ihr gutes Geschäft? Er weiß es. Und er weiß auch ganz genau, dass Europa die Toten in Kauf nimmt, um Flüchtlinge abzuschrecken. Heuchler,Brandstifter er.
Ferner sitzt da ein Herr Köppel von der Schweizer Weltwoche, der es sogar ganz offen ausspricht, dass, wäre die Überfahrt geschützter und ungefährlicher, ja noch mehr auf die Idee kommen könnten unser schönes wohlhabendes Europa zu überfluten. Und der mich in seiner Argumentation fatal an einen ebenfalls in "Recht und Gesetzen" und deren bürokratischen Auswirkungen und Zugzwängen ungeheuer bewanderten Herrn Eichmann erinnerte, der ja auch gar keinen persönlichen Groll hatte auf die von ihm Deportierten, sondern nur nach Recht und Gesetz handelte.
Was nun schließlich der Flüchtlingsheime verhindern wollende Herr in dieser Runde zu suchen hatte, ist wohl das Geheimnis des Herrn Jauch.
Herrn Köppel, der in diesen Tagen sein drittes Kind erwartet, das hoffentlich das Glück haben wird, in Frieden, Freiheit und Wohlergehen aufzuwachsen, habe ich noch während der Sendung eine Mail geschickt. Sonst wäre ich erstickt:
Hallo Herr Köppel,
ich stelle mir vor, Herr Köppel, Sie geraten mit ihrer Frau und ihren Kindern in Lebensgefahr. Es geht um Leben und Tod ihrer Lieben. Und keiner will Ihnen helfen, weil es gegen das GESETZ verstößt.
Nach Nazigesetz durften in meinem Land keine Juden versteckt werden. Nach DDR Gesetz durften keine Menschen aus dem Land flüchten. Soviel zum Gesetz.
Stellen Sie sich auch manchmal vor, wie es wäre, wenn IHRE Kinder keine Zukunft hätten? Aus welchen Gründen auch immer? Stellen Sie es sich vor, Herr Köppel.
Niemand, niemand macht sich heimatlos ohne Not, Herr Köppel. Flucht ist keine Lustreise. Niemals.
Lisa Kötter
PS in meinem Haushalt leben übrigens zwei Flüchtlinge. Nur dass Sie jetzt nicht auch mir das gleiche vorwerfen, wie dem wunderbar menschlichen Herrn Prantl von der Süddeutschen
Ich fügte auch das Zitat von Christa Wolf hinzu, das mir gestern Mirjam in ihrem Kommentar schrieb:
"Ich kann nur hoffen, sagte ich, daß es keinen Gott gibt und kein Jüngstes Gericht, denn segnen würde er keinen von uns satten gefühllosen Weißen, es sei denn, er wäre wirklich nur unser Gott." (Christa Wolf: Stadt der Engel)
Danke dafür.
Maya Alkhechen, die so eindrücklich von ihrer
Flucht erzählte und Herrn Höppner , der ein Schiff gekauft hat
und "einfach" anfängt - mit Helfen nämlich, nicht mit Reden-,
gilt meine Hochachtung. Herr Höppner forderte auch eine
Gedenkminute für die Opfer ein, die Herr Jauch zu
verhindern versuchte. Das hat ihn sehr entlarvt in seinem
ganzen Betroffenheitsgetue.
Wunderbar war Herr Prantl von der Süddeutschen Zeitung,
der auch eine Mail von mir bekam, mit Dank für das was
er gesagt hat und wie er es gesagt hat.
Schlafen konnte ich dann doch nicht. So habe ich auf Papier
geträumt.
Asylanträge in allen Botschaften möglich machen!
Mare Nostrum wiederbeleben!
Landgrenzen öffnen!
Ausbeutung in den Herkunftsländern beenden!
Endlich teilen!