Mittwoch, 15. Mai 2019

Maria 2.0 (klick
mit offenen Mündern!




Über das Schweigen 


“Das Weib schweige in der Gemeinde“. So und ähnlich schreibt Paulus. Und tatsächlich wird uns dieser Satz aus dem Paulusbrief grade des Öfteren zu Gehör bzw. zu Augen gebracht. Ebenso das Schweigen Marias, das wir nicht zu schätzen wüssten, dessen wir uns frech bedienen würden.

Maria , so heißt es, bewahrte alles in ihrem Herzen. Sie hatte dort einen Schatz.

Hatte Jesus eine schweigende Mutter? Hat sie nicht geredet und gesungen, wovon ihr Herz voll war? Hat sie das Magnifikat mit geschlossenem Mund gesungen?

Sie hat ihren Sohn sprechen gelehrt. Sie hat ihm den Schatz ihres Herzens bestimmt nicht vorenthalten. Sie hat ihn mit ihm geteilt. Mitgeteilt.

Politisch, gesellschaftlich waren Frauen in der Zeit Marias und Jesus’ ohn-mächtig. Sie hatten zu schweigen. Das Schweigen der Ohnmacht ist aber kein Gold. Es ist bleiern.






Es gibt  Schweigen, das ist golden. Das ist ein Segen:

Da ist das Schweigen vor Gott, das scheue Schweigen. Das Schweigen und Hineinhören in Gottes Liebe. Es ist voller Demut. Es ist frohmachend und stärkend.






Da ist ein Schweigen aus Klugheit. Mütter, und Väter, sollten dieses Schweigen beherrschen, wenn sie ihre erwachsenen Kinder als freie Menschen respektieren wollen, die ihren Weg finden wollen und müssen. Auch Maria mit ihrem Schatz im Herzen, beherrschte es, sie ließ ihren Sohn frei.

Streitend sollte man dieses Schweigen im richtigen Moment beherrschen, um den Streit Früchte tragen lassen zu können, indem man z.B. das letzte Wort nicht hat, sondern es dem oder der Anderen überlässt. Nicht aus Berechnung, sondern als ersten Schritt des Entgegenkommens, der Versöhnung.

Kluges Schweigen kann auch pädagogisch sein, wenn man z.B. ein Kind sich seine eigenen Gedanken und Ideen entwickeln lässt, es denken lernen übt, es nicht ständig belehrt, nicht vorgreift. Sich mitfreut über seine Freude am eigenen Entdecken.





Da ist das Schweigen des Mitgefühls. Des Zuhörens und des Mit- Aushaltens. Wenn alles Reden unangemessen wäre, wenn jedes Wort nicht Trost, sondern Übergriffigkeit bedeutet. Wenn es einer Solidarität der Ratlosigkeit bedarf.







Und da ist das andere Schweigen. Das bleierne Schweigen. Ein Schweigen aus Angst.  Ein Schweigen aus Resignation. Ein Schweigen Unrecht gegenüber. Ein Schweigen aus Unterwürfigkeit. Ein Schweigen der Berechnung.

Das ist Schweigen wider besseres Wissen. Das ist Devotismus.

Dieses Schweigen ist nicht stärkend und  angemessen, sondern unheilvoll. Es stärkt die Angst, das Unrecht, die Vorteilnahme und Korruption, die Ungerechtigkeit. Es hemmt Entwicklung.

Dieses Schweigen ist die Schwester der Lüge.



 Wenn uns Menschen in diesen Tagen mit Bibelzitaten beweisen wollen, wie unrecht wir haben mit unserer Initiative Maria 2.0, so wird nicht nur Paulus, sondern auch gerne aus dem alten Testament zitiert.
Ich möchte kein Testament durchsuchen, um jemand anderem zu beweisen, dass er/sie falsch glaubt. Die Deutsche Bischofskonferenz wirft uns Vereinfachung vor.

Ja,  es gibt Dinge, zu denen schweigen wir auch gerne. Weil wir, zumindest ich persönlich, keine oder kaum Ahnung habe von ihnen. Kirchenrecht, Dogmatik, Kirchengeschichte...ich bin keine Theologin.

Aber da gibt es genug kluge, studierte Frauen und Männer vom Fach, die sich seit Jahrzehnten versuchen Gehör zu verschaffen. Und wenig durchdringen, wie man hört.

Wir führen eine einfache Sprache, und trotzdem schweigen wir nicht. Immer mehr und mehr mit uns schweigen nicht. Weil das Herz so voll ist. Weil weiter Schweigen Unrecht wäre.




Wir glauben, dass viele Bischöfe und Kardinäle von zu vielen Abnickern und Jasagern umgeben sind. Von berechnenden Schweigern. Man sagt uns, in der römisch katholischen Kirche kann nur Karriere machen, wer schweigen lernt über bestimmte Themen, Zweifel  nicht laut werden lässt, Sehnsucht verbirgt, und möge sie noch so sehr das Herz erdrücken. Wo bleibt da die Wahrheit, die frei macht? Solches Menschenwerk  führt zur Erstarrung.



Jesus lebt. Er lebt, weil er bei uns ist und mit uns ist in unserer Zeit. Er ist mit uns in 100 Jahren Frauenwahlrecht. Er ist mit uns in  neuen Erkenntnissen der Wissenschaft. Er ist mit uns in den Menschenrechten. Er ist mit uns in jeder Befreiung von Unterdrückung. Er ist mit uns im goldenen Schweigen. Im Lobpreis und im Verkünden.

Wir müssen ihn am Leben lassen.



Wir müssen reden! Ohne Schweigegebot und Worthülsen. Direkt und ausführlich. Wir müssen nicht Dialog sagen und Ignoranz tun.

Dienstag, 14. Mai 2019


 


Maria 2.0

Und nun: mit offenen Mündern.





Warum wir auf dem Weg sind- und doch bleiben

Warum geht Ihr nicht?    Geht doch, wenns Euch nicht passt!!        Macht doch was ganz Neues!
Drei von vielen Reaktionen auf Maria 2.0. Ich bin in der katholischen Kirche, seit ich am Tag meiner Geburt getauft wurde.
Das Leben der Kindheit war eingebettet in den Reigen des Kirchenjahrs. Von Anspannung zur Freude, von Ungeduld zur Erfüllung, von Verzicht zur Sinnenfreude, von Langeweile zur Begeisterung- alles eingebettet zwischen Weihnachten und Ostern, zwischen Pfingsten und Weihnachten.
Der Glaube war nicht nur die Sonntagsstunde in der Kirche. Er war Teil des alltäglichen Lebens. Kein Essen ohne Dank, kein Aus-dem-Haus-Gehen ohne Segen, kein Schlafengehen ohne Nachtgebet, kein Namenstag ohne Schokolade, keine Fastenzeit ohne Verzicht.
Geborgen war es. Streng war es. Im Heranwachsen immer schwieriger, je mehr Fragen nicht beantwortet wurden, weil man nicht, schon gar nicht als kleines Mädchen, zu hinterfragen hatte.

Heute stellen wir die Fragen. Laut und deutlich. Wir tun es, weil die Kirche wie unsere Haut ist, die wir uns nicht vom Leibe reißen können, ohne uns zu verletzen. Weil wir mit ihr (über)leben wollen.
 Sie ist Teil unserer Identität.
Sie ist wie ein geliebter Partner, der sich zurückgezogen hat, der seine Stärke nicht mehr spürt und deshalb meint, alles bestimmen zu müssen. Der seine Zärtlichkeit verloren hat  und launisch geworden ist. Der sich nicht mehr über das gute Essen freut, dass man ihm hinstellt. Der nicht mit uns sauber macht, nicht den Feudel schwingt und hilft den Staub aus den Ritzen zu kehren. Der seine Kinder nicht mehr anschaut, nichts aufregendes mit ihnen unternehmen mag, sie immer die gleichen Wege führt, ihre Neugier lästig und ihren Freiheitsdrang bedrohlich findet.

Wir lieben ihn aber.  Wir haben Liebeskummer.

Wir möchten mit ihm reden.
Aber er sagt: „Nicht in diesem Ton!“
Wir möchten mal tanzen lernen mit ihm.
Aber er sagt:“ Das haben wir doch noch nie gemacht!“
Wir möchten mit ihm wandern gehen auf abenteuerlichen Wegen.
Aber er sagt: „ Ich kenne die Wege. Alle anderen führen in den Abgrund“.
Wir wollen die Fenster aufreißen.
Aber er sagt: „Es zieht“.
Wir schreiben ihm ein Gedicht.
Aber er sagt: „Interessiert mich nicht.“
Wir möchten mit ihm beten
Aber er sagt: „ Du machst das falsch.“

Wir sind gebunden. Wir haben Kinder. Wir haben ein Haus. Wir haben Verantwortung.

                                                         verANTWORTung

Er ist nicht bereit für eine Paartherapie.

Darum fangen wir schon mal an.
Mit Aufräumen. Mit neuen Wegen. Mit Tanzen lernen. Mit Reden.
Vielleicht schaut er ja zu. Vielleicht wiegt er sich schon ein bisschen zur Musik. Vielleicht wird er neugierig. Vielleicht betört ihn die Poesie. Vielleicht bekommt er ein zärtliches Gefühl.

Wir fangen einfach an. Komm doch mit, Geliebter. Bleib nicht auf Deinem alten Sessel sitzen. Schau mal, der Stoff unter Deinem Hintern ist schon ganz dünn geworden. Wir lassen ihn neu beziehen. Auch aufpolstern. Dann sitzt Du höher, aufrechter. Nicht so eingesunken. Ist auch besser für Dein Rückgrat.
Komm, wir machen die Fenster auf. Die Sonne scheint. Morgen tapezieren wir neu.
Und diese Wand, die kann weg- dann wird hier alles etwas weiter. Und wir kochen ein leckeres Essen, zusammen mit den Kindern. Nach dem Rezept von meiner Mutter. Aber mit diesem neuen Gewürz. Oh ja, dann machen wir die Türen auf! Die Nachbarn sind doch eigentlich nett! Wir laden sie schon mal ein. Weißt Du was, den Zaun im Garten zu den Nachbarn, den sollten wir abreißen.  Dann können die Kinder auch viel besser zusammen spielen. Und wir sitzen im großen Garten mit den Nachbarn und lernen sie endlich mal besser kennen. Komm, steh auf Geliebter. Komm doch! Komm, wir fangen an. Keine Angst!    


 

Sonntag, 12. Mai 2019

Maria 2.0 (klick)




Menschenbild 95

Das letzte Bild, heute. Ein Mann. Ausgegrenzt und gedemütigt. Weil er ist, was er ist.

Seit 95 Tagen male ich Frauen und Mädchen, einen Jungen und zwei Männer. 
Dann verschließe ich ihnen den Mund. So wird aus den Frauenportraits das katholische Frauenbild.
Auch aus den wenigen Männerportraits wird ein Bild der Demütigung und Ausgrenzung.

Dass gestern überall in deutschen Zeitungen, in den Radio und Fernsehnachrichten über Maria 2.0 berichtet wurde, erscheint uns Initiatorinnen fast irreal.
Ein halbes dutzend Frauenhände, die mit Laptop, Handy  und etwas Aquarellfarbe an die Öffentlichkeit gegangen sind.
Eine gute Handvoll Frauen, die gedacht, diskutiert, organisiert, genetzwerkt haben,
eine mutige Journalistin, die einen Film fürs WDR drehte, schon im Januar, und uns damit half, diesen Stein ins Wasser zu werfen. Mehr nicht an Menschenkraft.

Gestern haben wir vor unserer Gemeindekirche hier in Münster als Auftakt unserer Aktionswoche einen Gottesdienst gefeiert. 
Tausende von Frauen und Männern haben sich inzwischen bei uns gemeldet, haben Gleichgesinnte gesucht und gefunden. Haben den Kreis immer größer gezogen.  Immer mehr Menschen sagen laut uns klar, wonach sie sich sehnen:  nach einer wirklichen Erneuerung der Kirche. 
Daß die Menschen sich selbst ermächtigen und die Angst überwinden, ihre Stimme erheben- 
das ist die größte Freude. 
Vor gut drei Monaten, als wir paar Frauen in dem kleinen Zimmer saßen und beschlossen, nicht mehr nur zu klagen und zu schimpfen auf unsere Kirche, sondern es noch mal ganz im Ernst mit ihr zu versuchen, indem wir an alle apellieren, ihrer Sehnsucht Ausdruck zu geben, wussten wir nicht, auf welch fruchtbaren Boden unser Samenkörnchen fallen würde.

Diese Sehnsucht spiegelt sich in den Worten, mit denen ich gestern zum Auftakt der Aktionswoche die Menschen vor unserer Kirche begrüßt habe:


Liebe Schwestern und Brüder, liebe Marias!

Es ist eine ernste Sache, dass wir heute hier draußen stehen. Denn es ist uns ernst
mit unserer Kirche, von der jede und jeder von uns ein Teil ist
Ernst mit diesem Jesus aus Nazareth. Denn er hat gesagt: „Ändert Euren Sinn!“
Er hat gesagt: „Liebet einander“. Er hat uns Gottes unbedingter Liebe versichert!
Die er sichtbar gemacht hat, die er auch uns aufgetragen hat, sichtbar zu machen in der Welt, in unserer Zeit:
Segnen sollen wir. Nicht verdammen.

Es ist eine ernste Sache mit der Liebe. Denn ohne sie sind wir hohl und klanglos. Aller Glaube, alle Klugheit, alle Gemeinschaftlichkeit, alles Streben verliert seine Strahlkraft.
Alles Frohe an der Botschaft Jesu erstarrt ohne Liebe.

Es ist uns ernst mit der Berufung aller Getauften.
Und mit der Gleichberechtigung der Frau. Die mit gleicher Würde und mit gleichen Berufungen gesegnet und geliebt ist als Gottes Kind, wie jeder Mann. Wie jeder Mensch.
Frauen sind nicht die besseren Menschen. Aber nur gemeinsam, auf Augenhöhe, können wir uns gegenseitig beflügeln, uns gegenseitig auf die Finger schauen(und auch mal klopfen), nur gemeinsam können wir belebend wirken.  Wer Frauen nicht achtet, ohne Wenn und ohne Aber, der verachtet die Hälfte der geliebten Kinder Gottes.

Vor etwa 2 Wochen bekamen wir den Brief einer jungen Frau, Antonia, die sich ratsuchend an ihren Bischof gewandt hatte. Sie möchte Priesterin werden. Sie fühlt sich dazu berufen und gleichzeitig ratlos. Denn sie weiß natürlich, dass die r.k.K.  bisher keine Frauen weiht.
Als Antwort bekam sie ein freundliches Schreiben, dass der Bischof für eine Antwort keine Zeit hätte, aber ihr empfehle, ein christliches Orientierungsjahr in Anspruch zu nehmen und ihr alles Gute für ihre Zukunft wünsche.

Wir wissen alle, oder können uns vorstellen, was passiert wäre, wenn  Antonia ein Anton gewesen wäre. Es hätte nicht nur eine ausführliche Antwort vom Bischof gegeben, sondern eine Einladung zum Gespräch. Dieser Kostbarkeit einer Berufung wäre  mit höchster Sorgfalt und jeglicher Unterstützung nach- und vorraus- und entgegengekommen worden.

Was der Kirche so entgeht  an Berufungen, an Klugheit, an Leidenschaft und Spiritualität,
 was ihr entgeht durch diese unzeitgemäße und ungerechte Behandlung der Hälfte ihrer 
Mitglieder,  
das möchten wir ihr endlich zukommen lassen. Möge sie, also wir alle, voranschreiten in 
wirkmächtiger Menschenfreundlichkeit. Möge die Frohe Botschaft unsere Kirche öffnen für 
den immerwährenden Wandel, der ein Geheimnis unseres Glaubens ist. 

Auch Darum stehen wir  heute hier. Nicht um all dem bekannten Grauen, dass  in unserer Kirche passiert noch mehr Rechthaberei hinzuzufügen, sondern um die Frohe Botschaft zu hören. Die unsere Welt so nötig hat. Und die wir auch heute, auch vor unser Kirche verkünden  wollen. Ein Segen sein wollen wir füreinander.


 Fangen wir also an, wir stehen hier mit unserer Sehnsucht, unserem Glauben und unserer Suche: Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen


Foto und Bearbeitung: Maria Hagenschneider