Dienstag, 14. Mai 2019


 


Maria 2.0

Und nun: mit offenen Mündern.





Warum wir auf dem Weg sind- und doch bleiben

Warum geht Ihr nicht?    Geht doch, wenns Euch nicht passt!!        Macht doch was ganz Neues!
Drei von vielen Reaktionen auf Maria 2.0. Ich bin in der katholischen Kirche, seit ich am Tag meiner Geburt getauft wurde.
Das Leben der Kindheit war eingebettet in den Reigen des Kirchenjahrs. Von Anspannung zur Freude, von Ungeduld zur Erfüllung, von Verzicht zur Sinnenfreude, von Langeweile zur Begeisterung- alles eingebettet zwischen Weihnachten und Ostern, zwischen Pfingsten und Weihnachten.
Der Glaube war nicht nur die Sonntagsstunde in der Kirche. Er war Teil des alltäglichen Lebens. Kein Essen ohne Dank, kein Aus-dem-Haus-Gehen ohne Segen, kein Schlafengehen ohne Nachtgebet, kein Namenstag ohne Schokolade, keine Fastenzeit ohne Verzicht.
Geborgen war es. Streng war es. Im Heranwachsen immer schwieriger, je mehr Fragen nicht beantwortet wurden, weil man nicht, schon gar nicht als kleines Mädchen, zu hinterfragen hatte.

Heute stellen wir die Fragen. Laut und deutlich. Wir tun es, weil die Kirche wie unsere Haut ist, die wir uns nicht vom Leibe reißen können, ohne uns zu verletzen. Weil wir mit ihr (über)leben wollen.
 Sie ist Teil unserer Identität.
Sie ist wie ein geliebter Partner, der sich zurückgezogen hat, der seine Stärke nicht mehr spürt und deshalb meint, alles bestimmen zu müssen. Der seine Zärtlichkeit verloren hat  und launisch geworden ist. Der sich nicht mehr über das gute Essen freut, dass man ihm hinstellt. Der nicht mit uns sauber macht, nicht den Feudel schwingt und hilft den Staub aus den Ritzen zu kehren. Der seine Kinder nicht mehr anschaut, nichts aufregendes mit ihnen unternehmen mag, sie immer die gleichen Wege führt, ihre Neugier lästig und ihren Freiheitsdrang bedrohlich findet.

Wir lieben ihn aber.  Wir haben Liebeskummer.

Wir möchten mit ihm reden.
Aber er sagt: „Nicht in diesem Ton!“
Wir möchten mal tanzen lernen mit ihm.
Aber er sagt:“ Das haben wir doch noch nie gemacht!“
Wir möchten mit ihm wandern gehen auf abenteuerlichen Wegen.
Aber er sagt: „ Ich kenne die Wege. Alle anderen führen in den Abgrund“.
Wir wollen die Fenster aufreißen.
Aber er sagt: „Es zieht“.
Wir schreiben ihm ein Gedicht.
Aber er sagt: „Interessiert mich nicht.“
Wir möchten mit ihm beten
Aber er sagt: „ Du machst das falsch.“

Wir sind gebunden. Wir haben Kinder. Wir haben ein Haus. Wir haben Verantwortung.

                                                         verANTWORTung

Er ist nicht bereit für eine Paartherapie.

Darum fangen wir schon mal an.
Mit Aufräumen. Mit neuen Wegen. Mit Tanzen lernen. Mit Reden.
Vielleicht schaut er ja zu. Vielleicht wiegt er sich schon ein bisschen zur Musik. Vielleicht wird er neugierig. Vielleicht betört ihn die Poesie. Vielleicht bekommt er ein zärtliches Gefühl.

Wir fangen einfach an. Komm doch mit, Geliebter. Bleib nicht auf Deinem alten Sessel sitzen. Schau mal, der Stoff unter Deinem Hintern ist schon ganz dünn geworden. Wir lassen ihn neu beziehen. Auch aufpolstern. Dann sitzt Du höher, aufrechter. Nicht so eingesunken. Ist auch besser für Dein Rückgrat.
Komm, wir machen die Fenster auf. Die Sonne scheint. Morgen tapezieren wir neu.
Und diese Wand, die kann weg- dann wird hier alles etwas weiter. Und wir kochen ein leckeres Essen, zusammen mit den Kindern. Nach dem Rezept von meiner Mutter. Aber mit diesem neuen Gewürz. Oh ja, dann machen wir die Türen auf! Die Nachbarn sind doch eigentlich nett! Wir laden sie schon mal ein. Weißt Du was, den Zaun im Garten zu den Nachbarn, den sollten wir abreißen.  Dann können die Kinder auch viel besser zusammen spielen. Und wir sitzen im großen Garten mit den Nachbarn und lernen sie endlich mal besser kennen. Komm, steh auf Geliebter. Komm doch! Komm, wir fangen an. Keine Angst!    


 

8 Kommentare:

  1. Deine Worte hier, aber auch gestern im Radio ( ich hab die Sendung dann noch mal am Abend gehört ) lassen mich dich und die anderen Frauen sehr gut verstehen, warum gehen für euch nicht möglich ist ( es ist ja nicht so, dass ich beim Gehen damals nur zornig war. Meine Trauer ist mir unlängst hoch gekommen, als der Enkel über den Verlust seines Glaubens sprach. ). Eure Bilder sind einfach beeindruckend und nachvollziehbar und schön dazu und lassen eure Religiosität leuchten, mehr als es die dürren Worte so vieler Kirchenoberen es vermögen.
    Weiterhin in Gedanken dabei...
    Astrid

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  2. dazu braucht es eigentlich keinen Kommentar
    nur den..

    es ist eine Liebeserklärung die mir die Augen feucht werden läßt..

    alles Gute

    Rosi

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  3. Ich kann Dir nur von Herzen gratulieren. 72 Jahre bin ich alt und kämpfe inzwischen völlig ratlos mit meinen Gedanken über diese Kirche der Ausgrenzung. Mein ganzes jahrelanges Engagement ist eigentlich ins Leere gelaufen. In unserer Gemeinde gibt es großartige Leute, die genau wie Du und Deine Mitstreiterinnen denken. Aber es bleibt die Wut im kleinen Kreis. Eine Vernichtung von Ressourcen, die geradezu atemberaubend ist. Vor einigen Wochen ein Interview in unserer Zeitung mit dem neuen Kaplan der Hauptpfarre, dass mich in die 50ger Jahre zurückversetzt. Was soll da noch kommen? Ich wünsche Euch viel, viel Kraft.
    Magdalena

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  4. Ein starker Text und ein starkes Bild! Ich bin ja im Konkurrenzverein und beneide euch Katholik(inn)en ja um vieles, aber weiß Gott nicht um alles. Ich hoffe, dass die Dinge sich bessern lassen...

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  5. Was für wunderbare, reflektierte Worte, die das Problem allzu gut beschreiben! Danke dir dafür!

    Viele Grüße
    Steffi

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  6. ih bin ja ein heidenkind, unterstütze euch aber voll und ganz!!
    liebe grüße
    mano

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  7. In Gedanken so bei euch... Liebe Grüße Ghislana

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  8. Meine Güte, ein toller Text und eine super Aussage.Werde mir nach unserem Urlaub mit Hund in Südtirol deine Seite mal ganz genau anschauen.Sind wirklich tolle Bilder und Artikel bisher zu sehen.Egon

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