leise wie einem Vogel, die Hand hinhalten
Hilde Domin
Wer hier regelmäßig liest, dem ist nicht verborgen geblieben, dass ich mit der Botschaft des Jesus von Nazareth viel anfangen kann.
Wenn mein Christsein hier sichtbar wurde, dann eingebettet in mein Tun, mein Kunstschaffen, meine politische Meinung. So wie es mein Leben durchwirkt, so scheint es auch beim Blogschreiben immer wieder durch.
Ich bin halt keine Sonntagschristin.
Heute nun rückt mein Christsein in die Mitte eines Posts.
Ich komme aus einer katholischen Familie. Das Selbstverständnis, katholisch zu sein, haben wir mit der Mutter- nein, Flaschenmilch, aufgesogen. Es beinhaltete Gebete am Morgen, Mittag, Abend genauso, wie den täglichen Rosenkranz im Oktober, den Sonntäglichen Kirchgang( nüchtern) die Frühkommunion mit fünf Jahren, die Beichte, und überhaupt all die Riten und kleinen katholischen Selbstverständlichkeiten, die man tat als Kind, die man gar nicht verstand und meistens stinklangweilig fand.
Das kindliche Mitleid mit den "Heiden" (sprich den evangelischen Christen- sorry!) gehörte auch dazu. Meine alte Tante hatte einen Spruch, wenn sie über evangelische Bekannte sprach: "Sind evangelisch, aber gute Leute"- Der Gipfel der Ökumene!
Mit zwölf Jahren habe ich mich dann kurzzeitig einer geistlichen Gemeinschaft zugewandt, die das Evangelium in die Mitte des Lebens holen und ernst nehmen wollte. Das hat mich fasziniert. Keine Nerzmäntel in der ersten Kirchenbank, keine frischpolierten Autos vor der Tür, keine diamantenen Fingerringe, sondern Teilen, Beten, Singen, Verstehen.
Leider war diese Gemeinschaft aber auch Meister im Schuldgefühle- Auslösen. Da standen sie ganz in katholischer Tradition. Also bin ich da weg.
Dann wurde es wild. Ich war 14 Jahre alt, man schrieb das Jahr 1974, und in der katholischen Akademie gab es jeden Samstag wilde Messen. Die Musiker waren großartig und zum Anschmachten hübsch mit ihren langen Haaren und ihren coolen Rhythmen. Und unser wirklich toller Jugendpriester ließ uns machen. Ich erinnere mich an ein riesiges Kreuz aus Müll, das wir bauten aus Protest gegen die Konsumgesellschaft, die Liturgie war so frei, jede r konnte mitreden. Wir reichten den Kelch herum, saßen auf dem Boden, tanzten, wenn uns danach war.
Dann folgten viele Jahre, die ich heute als sehr fern meiner Spiritualität bezeichnen würde. Ich hatte aber immer ein Grundgefühl von Beschütztsein, im Grunde einen konservierten Kinderglauben. Der hat mich auch durch manche Stürme getragen. Aber eine Auseinandersetzung fand kaum statt. Früh kam mein erstes Kind, es war viel zu tun. Gebetet habe ich mit meinen Kindern. Jeden Abend. Ich wollte ihnen immer mitgeben, dass es eine Instanz gibt, die auch noch da ist. Dass Dankbarkeit etwas bereicherndes ist. Und daß Angst in Vertrauen gewandelt werden kann. Mein Glaube war nie groß. Er war aber selbstverständlich. Die Kirche war mir dabei vollkommen unwichtig. Inzwischen war die Aufbruchsstimmung in der Kirche auch verweht und unsere Helden in Südamerika bekamen ernsthafte Schwierigkeiten mit den und dem Oberhirten. Theologen und Theologinnen, die vorgestrige Strukturen und Glaubenssätze der Kirche benannten und anprangerten, und daß Klerikalismus und Verklemmung zu Ausgrenzung und Unheil führt, wurde ein Maulkorb verpasst. Das alles ist bekannt. Ich konnte mit dem "Verein" gar nichts mehr anfangen.
Erst als mein drittes Kind sich auf die Erstkommunion vorbereitete, entschloss ich mich, auch eine Gruppe zu übernehmen. Ich hatte mich sehr angefreundet mit dem Franziskaner, der damals unsere Gemeinde leitete. Er schrieb mir nicht vor, was ich "meinen" Kindern zu erzählen hatte. Ich versuchte für mich zu begreifen und zu formulieren, was das alles heißt, die Sakramente, die Riten, die Gemeinschaft, Gott. Und merkte, dass die Riten ein Boden für mich sind. Nicht mehr. Aber auch nicht weniger.
Heute glaube ich, dass Jesus den Wandel durch Liebe ins Zentrum seiner Botschaft gestellt hat.
Das Gegenteil davon ist Erstarrung, Beibehaltung des "immer schon so". Das Gegenteil davon ist der seit Jahrtausenden die katholische Kirche prägende Klerikalismus. Das Gegenteil davon ist die Machtfülle von Amtsträgern, die sie mit aller Kraft, mit aller Gewalt, mit aller List und Tücke, mit Ränken und politischen Winkelzügen durch die Jahrhunderte gerettet haben.
Das Ergebnis dieser, durch angstgetriebene Machtgier befeuerten, Erstarrung waren und sind unglaubliche Veletzungen, grausame Gewalt, Mißbrauch, Bereicherung und weltliches Protzen. Und Ausgrenzung der Hälfte der Menschheit, der Frauen.
Eine einzige Frau jedoch ließen die Herren immer schon in ihre Mitte:
Maria.
Sie stellten sie auf den Sockel der Heiligen-Verehrung, der Keuschheit und der Tugendhaftigkeit. Wo sie zu schweigen hatte. (Es gibt gar die Legende, Bernhard von Clairvaux hätte ihr den Mund verboten, als sie es wagte, ihn anzusprechen!)
Ein unerreichbares Beispiel für uns Frauen haben sie da geschaffen. Magd sein. Gehorchen. Leiden. Bescheiden sein....
Die Frage der Jungfräulichkeit Mariens wurde zur verstörend voyeuristischen Gretchenfrage. Denn sie bestimmt das Frauenbild, dass die römisch katholische Kirche noch immer vermittelt, an das sie glaubt und das ihre männlich klerikale Macht erhält.
Heilige oder Hure. Die ewige Eva, die den Teufel ins Leben holt oder die Jungfrau, die ihn draussen hält, indem sie die Männer nicht verstört mit ihrer Weiblichkeit. Gesunde Söhne des Patriachats mußten immer schon Herr über die Jungfräulichkeit sein. Nur so konnten sie die Kontrolle behalten. Weibliche Sexualität ausserhalb der Ehe bedeutet Kontrollverlust. Sehr sehr gefährlich! Darum ist sie des Teufels.
Wenn auch all die Marianische Jungfräulichkeit auf einer (bewussten) Fehlübersetzung beruhte:
Aus der "jungen Frau" wurde kurzerhand die "Jungfrau".
So wurde Maria immer schon mißbraucht. Da steht sie und muss schweigen. Eine erstarrte Männerfantasie. Die ihr seltsames Frauenbild prägt.
Der sogenannte "Mißbrauchsskandal" zeigt die Spitze des Eisberges. Verstörend ist, dass von Kirchenleuten immer noch gesprochen wird, als sei der eigentliche Skandal das Hervorbrechen der Wahrheit. Selbst Leute aus dem kirchlichen Umfeld, die sich Veränderung wirklich wünschen, sprechen immer wieder von "dem Skandal, der die Kirche erschüttert" oder von dem "schrecklichen Jahr 2018 für die Kirche". Und merken gar nicht, was sie da sagen. So tief sitzt diese Kirchensprache.
Dabei ist der Skandal doch die unglaubliche Gewalt und Ausgrenzung, die Menschen durch Kirchenleute erlitten und erleiden.
Wir Frauen haben darum einen offenen Brief an Papst Franziskus geschrieben:
Im Februar tagt in Rom eine Konferenz über den massenhaften Mißbrauch durch Kirchenleute. Und darüber, was zu tun ist dagegen.
Wir Frauen hätten da ein paar Ideen.
Wir holen Maria von ihrem Sockel, in unsere Mitte, und rufen alle Frauen zu einem "Kirchenstreik"auf:
Von
Samstag, 11. bis Samstag, 18. Mai 2019 betreten wir keine Kirche und tun keinen Dienst. Wir alle wissen, wie leer dann
die Kirchen sein werden und wie viel Arbeit unerledigt bleiben wird.
Wir
bleiben draußen!
Wir feiern die Gottesdienste auf den
Kirchplätzen, vor den Kirchentüren.
Wir tanzen, singen, beten, finden neue Worte und neue Ausdrucksformen!
Wir sorgen für Leib und Seele und
heißen auch die Männer willkommen!
Wir bringen weiße Betttücher mit. Wir
bedecken die Plätze mit dem Weiß der Unschuld, mit dem Weiß der Trauer und des
Mitgefühls. Die weißen Tücher können beschrieben, bemalt, besudelt werden. Sie
können verknotet werden zu langen Ketten und riesigen Buchstaben... Es gibt
bestimmt noch viel mehr Ideen!
Umgeben wir unsere Kirchen mit der Farbe des Neuanfangs !!
Bitte lest den Brief und unterstützt unser Anliegen mit Eurer Unterschrift!
Hier gehts zum Brief:
Bitte hier entlang
und hier gehts zur Facebookseite von Maria 2.0 (die grade heranwächst)
Liebe Lisa,
AntwortenLöschendanke für diesen sehr persönlichen Post mit Deinen wunderschönen Bildern, die ich zum Teil ja bereits in Besenhausen in Natura bewundern durfte. Den offenen Brief an den Heiligen Vater habe ich unterzeichnet und werde den Link in meinem Bekanntenkreis weiterverbreiten,
herzlich Margot, die Judika
ich selbst bin zwar ein heidenkind und schon mit 16 aus der kirche ausgetreten, kann mich aber ein bisschen in deine geschichte hineinversetzen, weil ich früher eine freundin hatte, die ähnliches erlebte. was in der katholischen kirche (und nicht nur da!) an grauenvollem passiert ist wünscht man seinem ärgesten feind nicht. dann die jahrelange verschleierung, versetzungen, das weitermachen der schuldigen in anderen positionen und dann mal eben ein paar "entschuldigungen". deshalb finde ich deine / eure aktion sehr gut, habe unterschrieben und den link weitergeleitet.
AntwortenLöschendeine portraits sind sehr, sehr beeindruckend!
liebe grüße
mano
...das war jetzt interessant zu lesen, liebe Lisa,
AntwortenLöschenund gerne hätte ich an einigen Stellen eingehakt, ergänzt, mitgesprochen...ja das Beamen wäre schon nicht schlecht ;-)...unterschrieben habe ich den Brief schon, nun muß ich mal schauen, ob es hier schon irgendwelche Initiativen in der Richtung gibt, ich glaube in Gaggenau war letztens eine Mahnwache der Frauengemeinschaft vor der Kirche...deine Bilder sind so schön,
liebe Grüße Birgitt
Liebe Lisa, wunderschön, die Bilder! Ich denke noch nach...über Deine Worte. Und befinde mich seit langem auch in einer sehr katholischen Umgebung hier. Meine Glaubenszugehörigkeit wird in Bayer heutzutage noch belächelt und mein Herz zieht mich nochmal woanders hin. Dennoch passt am Ende alles zusammen, weil es in der Essenz um das Gleiche geht. Nur der Kirche oftmals nicht...da ist ein "gleich" nicht erwünscht, habe ich dann den Eindruck. Darum habe ich ebenso unterschrieben und wieder an Marianne Fredrikssons " Eva" gedacht. Vielleicht hast Du es gelesen.
AntwortenLöschenLiebe Grüße, Taija
Liebe Lisa, danke für den persönlichen und bewegenden Post. An vielen Stellen finde ich mich da wieder. Bin katholisch aufgewachsen, aber im Rheinland. "Rheinisch-katholisch", das ist nochmal eine etwas andere Auslegung. Ich war als Jugendliche sehr aktiv in unserer Gemeinde, habe durchgesetzt, dass Mädchen Messdienerinnen werden dürfen, war Lektorin und im Pfarrgemeinderat für die Jugend zuständig. Dann ging ich nach Israel und lebte und arbeitete 3 Jahre in einer Klostergemeinschaft. Da habe ich nochmal einen ganz anderen Blick bekommen. Jetzt bin ich im evangelischen Nordhessen - Hier habe ich keine Gemeinde mehr, der ich mich zugehörig fühle, auch mit der Katholischen Kirche als Institution hadere ich, da ich als Frau dort nur ein Mensch 2 Klasse bin. Ich bin Christin und die Nächstenliebe ist mir sehr wichtig. Ich bin sehr froh über deine Initiative. Vielen Dank!!! Den Brief habe ich unterschrieben und die Aktion beworben. Ich hoffe, sie zeigt Wirkung und wird gehört.
AntwortenLöschenLiebe Grüße
Ute
Ich freu mich so an deinen Bildern..., deinen Einsichten, den Vorhaben..., ich katholisch Getaufte und von Kirchen magisch Angezogene, Betende, Dankende, Demütige, Jesus zu folgen Versuchende, aber nicht mehr in einer Kirche organisatorisch Gebundene. "Wandel durch Liebe" trifft den Kern der Botschaft so gut... Danke und liebe Grüße Ghislana
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