Donnerstag, 14. August 2014

Laternenzeit
in meiner Heimatstadt gibt es im September das Lambertusfest.
Es ist ein Laternenfest und in meiner Kindheit war es fest in Kinderhand:
Schon Tage vorher wurde eine Holzpyramide aus alten Latten gebaut. Dabei hatten die großen Brüder das Kommando. 
Am Tag vor dem Fest, am 16. September, liefen wir los, um Blumen und Grünzeug zu sammeln. Es gab damals noch Trümmergrundstücke und Brachflächen in unserem Viertel. Dort wuchsen all die herbstlichen Herrlichkeiten- vor allem die gelbe Goldrute pflückten wir in Mengen. Und Nachtkerzen. Manchmal fanden wir auch noch Rainfarn- insgesamt kann ich mich vor allem an gelbe Blüten erinnern.
Dann wurde die Pyramide geschmückt. Es galt, kein Holz mehr zu sehen von dem Lattengerüst. Viel Bindfaden musste man nehmen zum Pflanzen befestigen, denn dahinein sollten am nächsten Abend all die Laternen gesteckt werden, die die Kinder an Stecken zum Fest mitbrächten.
In der Dämmerung am Abend des Festes, die ohne Sommerzeit ja entsprechend früher einsetzte, kam der Hauptspaß für uns Kinder:
Wir liefen in Horden durch die Straßen, unsere Laternen in der Hand, und brüllten, was die Stimmbänder hergaben: "Kinder kommt runter, Lambertus ist munter!" - was eigentlich völlig überflüssig war, denn alle wussten es ja: unser Trupp wurde nie viel größer als am Anfang der Schreiaktion. Aber wann durften wir schon sonst so nach Herzenslust in den Strassen rumbrüllen....

Dann trafen sich alle auf dem Platz, wo wir die Pyramide aufgestellt hatten. Auch die Erwachsenen kamen nun hinzu. Und dann nahmen sich alle an den Händen und wir tanzten im Kreis, bei viel Andrang auch in zwei Kreisen, um unsere mit den leuchtenden Laternen besteckte Pyramide. Es gibt viele spezielle Lambertuslieder, die gesungen wurden. Zum Schluss gab es ein Singspiel auf Plattdeutsch, bei dem ein Bauer sich auf dem Markt eine ganze Familie nebst Knecht, Magd, Hund, Knochen und "Pottlecker" zusammenkauft. Zum Schluss durfte dann der Bauer geschubbst werden, bis er jedem einen Apfel schenkte. 
 Das schöne an dieser Erinnerung ist, dass jeder und jede mitsang. Es brauchte keine Kisten Bier, um die Väter herbeizulocken, kein von den Mamas zubereitetes Büffet. Es brauchte keine Lautsprecheranlage, damit der Gesang über dem allgemeinen Gequatsche überhaupt zu hören war. Es quatschte nämlich niemand. Alle sangen mit. So konnten wir Kinder alle Texte auswendig- ich kann sie heute noch- von bis zu 20strophigen Liedern. 
Heute ist dieses schöne Fest zum Event verkommen. Von Erwachsenen organisiert, umstehen biertrinkende pallavernde Menschenmassen den Kreis tanzender Menschen, die sich zumeist nicht an den Händen halten können, weil sie die Liedtexte in der einen Hand halten müssen. Wegen der Sommerzeit fängt das Fest im Hellen an, damit die Kleinen nicht zu spät ins Bett kommen. So leuchten die Laternen nicht am geschmückten Lattengerüst. Das Laternenbasteln wird gepflegt in den Kitas. Aber das Fest ist nicht mehr wirklich ein Fest der Kinder, sondern der Institutionen. Nicht ein Kind habe ich in den letzten 20 Jahre noch  durch die Straßen laufen sehen und oder gehört: Kinder kommt runter.... 

Einmal habe ich noch mit vielen Kindern von Freunden und Nachbarn das Lambertusfest in kleinerem Kreise- ohne Bier und Würstchen, organisiert. Viele ältere Leute kamen und freuten sich. Und weil sie die Texte alle konnten, wurde es auch ein recht sangesfreudiges Fest. Laut rufend durch die Straßen zu laufen, trauten sich unsere Kinder aber nicht mehr. 

Kindern wird viel Eigeninitiative aberzogen und weggenommen. 
Mir fällt hier und heute nicht ein Fest mehr ein, das unkommerziell einfach aus der Mitte der Nachbarschaft gefeiert wird. Schon gar nicht so selbstverständlich von den Kindern für alle organisiert ... 
Wir waren jedes Jahr stolz auf unsere Pyramide. Egal, ob man als dreijähriger eine Blume hineingesteckt hatte oder als älteres Kind den Hammer geschwungen. 

Geblieben ist mir neben der schönen Erinnerung, dass der September mein Laternenmonat ist. So riecht der Altweibersommer für mich nach "Lambertus". Die Goldrute nickt mir schon jetzt an manchen Feldrändern zu und ich sehe sie vor mir, wie sie golden aufleuchten würde im Schein der Laternen, umtanzt von singenden Menschen.




Im September werde ich einen strohzugold-Workshop machen. Das Thema war ziemlich schnell klar. Laternen werden wir bauen. Große oder winzige- vielleicht sogar Laternenhüte!?( hab ich mal bei der Baseler Fastnacht gesehen) Zum Stehen, zum in -die-Bäume-hängen, für Drinnen, für draussen. Aus altem Kram, das auf jeden Fall. Ich probier grad, womit man so alles durchscheinende Flächen herstellen kann. Oben seht Ihr Schuhkartonpapier mit Ringen und Kringeln aus Klopapierrollen auf Papprahmen :-)

Wenn da draussen jemand Ideen oder Links kennt- immer her damit!

... da oben leuchten die Sterne und unten leuchten wir....

so soll es sein.


2 Kommentare:

  1. Liebe Lisa,
    was für wundervolle Erinnerungen! Ich liebe solche Geschichten und finde es wunderbar, wenn die Bräuche wenigstens in Erzählungen lebendig bleiben. Es ist so schade, wenn alles nur noch aufs Kommerzielle reduziert wird.
    Morgen starte ich mit meinen Kindern zu einer Radtour, bei der wir auf meinen alten Wegen unterwegs sein werden. Hach, ich schwelge seit Wochen in Erinnerungen und werde wohl auch einige Geschichten erzählen ...
    Ganz liebe Grüße
    Christiane

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  2. Ich kenne das alles genau so aus meiner Kindheit! Und ich vermisse es... Vielleicht bin ich auch sentimental, aber das gehört zu meiner Kindheit. Danke für Deinen Beitrag!!
    Christoph aus Hiltrup

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