Zeit für Fragen und Versuche, zu antworten
vor einigen Wochen stellte Ghislana einigen von uns Boggerinnen ihre Fragen zum Verhältnis zur Natur. Danke, dass ich dabei war, danke für die anregenden Fragen, liebe Ghislana. Ich hab heute Zeit, ein Geschenk!, und es ist so ein wunderbarer Morgen, mit Sonne im Zimmer und in den Bäumen. Eine Tasse Tee neben mir, los gehts.
An welches Naturerlebnis aus deiner frühen Kindheit
erinnerst du dich gern?
Ich war 12 Jahre alt, als ich mit meinem Bruder an der langen Leine einer befreundeten Familie lange drei Sommerwochen hindurch das "Wilde Leben" im Schwarzwald leben durfte. Jeden Morgen liefen wir von unserer kleinen Pension auf Wiesenwegen hinauf zum Hof der Freunde. Wie kleine Elfen tanzte dabei das Sonnenlicht in all den Wiesenblumen um uns her. Der Duft nach Blüten und frischem Grasschnitt und nach warmer Sommermorgenluft und all die jubelnde Schönheit dieser Morgende hat mich damals so verzückt, dass die Erinnerung daran schnell
wieder lebendig wird.
Noch älter ist die Erinnerung, ich war 4 Jahre alt, als wir einen Sommer lang mit Horden von Kindern im Bayrischen Wald kleine Felsen- und Baumhöhlen in tagelanger Arbeit mit Moos auspolsterten, Zäune aus Ästen bauten und spielten, spielten, spielten...immer den Duft des Mooses und des pilzigen Waldbodens in der Nase, ungestört von den Gewachsenen, die uns nur bei den Mahlzeiten zu sehen verlangten...
Was passiert, wenn du rausgehst, um Natur mit allen Sinnen zu erleben ?
Immer wieder erlebe ich, z.B. beim Wandern, dass sich Zeit anfängt zu dehnen, wenn ich mich in menschengemäßer Geschwindigkeit in der Natur bewege. Wenn das Fortbewegen losgelöst ist von einem schnell zu erreichenden Ziel kann der Tag wieder so lang werden, wie ich ihn als Kind empfunden habe. So lang, weil angefüllt mit Erlebnissen und Staunen und nahe- fühlen.
Welche Landschaften magst du besonders?
Darauf ist nicht leicht zu antworten. Ich mag die Wildheit der Nordsee mit ihrer(scheinbaren) Uneinnehmbarkeit
genauso wie die liebliche Hügellandschaft meines Besenhäusener Dreiländerecks
oder das Münsterland, da, wo es noch waldig und kleinteilig ist und nicht von der Flurbereinigung verschandelt.
Die Erhabenheit der Alpen macht mich genauso Staunen,
wie die weiten windigen Hochebenen im nahen Osten.
Entscheidend ist wohl eine erkennbar weitgehende Ursprünglichkeit oder nachhaltige Nutzung einer Landschaft.
Wie sieht er aus, dein Garten oder der deiner Träume?
Einen Bach gibt es, Erlen und Birken. Eine summende Wiese und ein geschütztes Plätzchen zum Feuermachen. Apfel und Kirschbäume und Zwetschken. Ein paar Hochbeete für Möhren Zwiebeln und Co. Das Haus eingewachsen in Eberesche und Haseln. Ein großer Schneeball und Hundsrosen.Und den weiten Himmel kann ich sehen. Am Morgen, am Abend und in der Nacht.
Was geht in dir vor, wenn du dir die Zeit gibst einen Sonnenaufgang oder Sonnenuntergang bewusst zu erleben?
Dann bin ich mir sicher, dass so viel Schönheit nur aus Liebe entstehen kann.
Inwiefern beeinflusst Natur deine Kreativität?
Natur ist immer von ihrer eigenen Stille umgeben. Selbst im Tosen der Stadt sehe ich einen Baum an und er steht da in seiner ganzen Würde und um ihn her ist es still. Ich kann dieses Gefühl nicht anders beschreiben. Vielleicht ist es das Geheimnis, dass ihn umgibt. Kunst, die mich anspricht, erzeugt in mir ein ähnliches Gefühl. Sie bringt ein Gespür für das Wesentliche zum Schwingen, das sich nicht schert um den Weltenlärm.Ganz manchmal, wenn es mir gelingt so etwas zu schaffen, macht mich das sehr glücklich. Dann fühle ich mich ganz.
Kannst du uns gute Beispiele zeigen, was Gärtner und Gemeinden für die Vielfalt der Lebendigkeit, für wilde Blumen, Insekten, Vögel... tun?
Da möchte ich einfach wieder in meinem geliebten Besenhausen bleiben. Dort leben etwa 20 Menschen, unzählige Insekten, Meisen, Spatzen und Kleiber, Fledermäuse und Falken, hunderte von Bäumen, darunter dutzende alte Apfelsorten,Heidschnucken, Wildkräuter und alle Arten von Gemüse, Federvieh im Glücke, Wildbienen und Schmetterlinge, Waschbären, Molche und Libellen,Wiesel und Marder, Fische und Wasserläufer..... Für die Fische gibt es eine Fischtreppe, damit sie das Turbinenwehr umgehen können. Es wird gehegt und gepflegt und jedem soll es gut gehen. Darum gibt es genügend Platz für Wildkraut und Totholz, genau wie für Grabeland, wo ausschließlich biologisch gegärtnert wird.Es gibt Teiche, Beerenhecken und Benjeshecken. Und allen geht es gut. Soweit.
Was meinst du - inwiefern beeinflusst der Umgang mit Natur auch unseren Umgang mit Menschen?
Achtsamkeit ist unteilbar.
Es gibt erstaunlicherweise Menschen, die sich sehr verbunden mit der Natur fühlen, bei Mitmenschen aber sehr wählerisch sind und Mitgefühl nur zu Menschen ihrer Hautfarbe, Bildungsebene etc. aufbringen. Dies hat in Deutschland schlechte Tradition und wird grad in einigen Regionen wieder verhängnisvoll braun etabliert.
Leben ist aber heilig. Immer.
Ausschnitt"unbekannte Heilige" |
Welche Bücher liest du gerade und warum?
Ich habe grad kein Buch gelesen, sondern den aktuellen "fluter". Wer ihn nicht kennt, sollte ihn sofort bestellen. Er kostet NIX. Wird herausgegeben von der Bundeszentrale für politische Bildung und ist die beste Zeitschrift, die ich kenne. Eigentlich für junge Leute geschrieben. Aber jung im Herzen sind wir ja alle....
Jedes Heft behandelt ein eigenes Thema. Das aktuelle: STADT. Super spannend!
Hier umsonst Abo bestellen und, wenn es geht, gleich um das aktuelle Heft bitten: klick
Angenommen, ich käme irgendwann mal dorthin, wo du lebst. Was würdest du mir für einen Tagesausflug in die Natur deiner Region empfehlen?
Ich würde uns einen Picknickkorb packen mit Köstlichkeiten in fester und flüssiger Form und dann würden wir zusammen eine Fahrradtour machen, zuerst einmal um die Altstadt von Münster auf der berühmten"Promenade "und dann weiter hinaus ins Münsterland über Pättkes und Sträßken durch die schöne Parklandschaft, vorbei an Wasserburgen und alten Gräftenhöfen...nicht spektakulär, aber wunderschön...
Liebe Ghislana, danke für die Fragen, es hat mir viel Freude gemacht, darauf zu antworten und ein wenig in meinem Kopf nach Erinnerungen und Standpunkten zu kramen.